Wir leben in einer Gesellschaft, in der nahezu jeder auf die eine oder andere Art Traumaanteile trägt. Das heißt nicht unbedingt, das man Opfer von Gewaltverbrechen oder Krieg sein muß. Es geht vielmehr darum, das die Erziehung die wir bekommen haben und auch die Gesellschaft in der wir heute leben, oft sehr unverbunden, wenig mitfühlend und nicht wertschätzend war und ist.
Das Wegfallen von zuverlässigen Familiensystemen oder anderen stabilisierenden größeren Gemeinschaften, kriegsgeschädigte Generationen, die so viel belastendes inneres Material weggepackt und nie integriert haben, eine leistungsorientierte Gesellschaft, die immer noch erwartet, das man sich so oder so verhält, anstatt anzuerkennen, was ist. All das unterstützt uns wenig, fördert vielmehr auch noch die inneren Antreiber und Kritiker.
Dazu kommen Stapelkrisen im außen, die immer mehr dazu führen, das man den Kopf in den Sand steckt und lieber nicht hinsieht - ist ja eh nicht zu schaffen… das alles macht immensen Druck und fördert nicht gerade das Wohlbefinden. Aber was kann man tun, wie kann man sich selbst unterstützen?
Eine schöne Möglichkeit dort ein wenig Raum und Luft zu schaffen ist bei dir und im hier und jetzt zu landen – Stichwort Achtsamkeit.
Das sagt sich leicht und ist natürlich auch nicht der heilige Gral, ABER es hilft, wenn wir das können. Tatsächlich fällt es vielen Menschen mit Traumaanteilen sehr schwer im hier und jetzt sein, da ihr Nervensystem damit beschäftigt ist, Gefahren abzuwägen und nach ihnen zu suchen. Dadurch läuft es ständig auf Hochtouren. Oder es ist völlig unverbunden und taub im Bezug auf die eigenen Gefühle, weil es irgendwann gelernt hat, das es besser ist nichts zu fühlen. Diese Zustände können sich verselbstständigen und dann ist es in der Tat schwer zu einer wohligen Ruhe zu finden - weil es sich eben nur beängstigend und stressig anfühlt.
Das können wir anerkennen und wertschätzen!, denn es ist die bisher beste Möglichkeit des Nervensystems gewesen, auf bestimmte Erfahrungen im außen zu reagieren. UND wir können diese Schritt für Schritt ändern, indem wir neue Erfahrungen machen und etablieren. Im Nervensystem neue Verbindungen knüpfen und durch Wiederholungen stärken.
Ein wunderbares Mittel, was wir in der traumasensiblen Begleitung erschließen, finden und etablieren mögen, sind die oder deine Ressourcen. Sie können langfristig dabei unterstützen, uns selbstständig aus Über- oder Untererregungszuständen immer besser zu regulieren. Es gibt verschiedene Quellen oder Ursprünge aus denen wir "ressourcige" Zustände schöpfen können. Fürs Verständnis mag ich hier mal beispielhaft einige aufzeigen:
Äußere Ressourcen, wie Familie, Freunde, das soziale Umfeld, der Arbeitsplatz, Therapie oder Selbsthilfegruppen, aber auch leckeres Essen, ein Saunabesuch, eine Umarmung, Natur, Musik, Hobbies etc.
Innere Ressourcen, wie alle Körperempfindungen die wohltuend, kraftvoll und/oder stärkend sind (und ggf. schon aus sich selbst hergestellt werden können), der Verstand und die Reflexion
Existentielle Ressourcen, wie überstandene Krisen oder Herausforderungen der eigenen Biografie (gewonnene Lebenserfahrung, bestandene Prüfungen, etc.)
Leistungsorientierte Ressourcen, wie gute Leistungen in Schule, Beruf, Sport etc.
Vielleicht fühlt es sich für dich gut an, da mal alleine zu forschen und deine Ressourcen zu finden und zu etablieren. Schreib sie auf, mache sie ggf. irgendwie sichtbar.
Nimm dir jeden Tag ein wenig Zeit, sie dir bewußt zu machen und sie idealerweise im Körper zu fühlen. Also wenn du dir einer Ressource bewußt wirst, es sich gut anfühlt, wo genau spürst du das und wie fühlt sich das an? Dann bleib da einen Moment.
Es geht darum, gute neue Erfahrungen bewußt zu verkörpern. Am Anfang sind das vielleicht Sekunden. Und die machen einen Unterschied. Langfristig wäre der Nutzen immer länger bei sich sein zu können und die aufkommenden Gefühle halten zu können.
Du bist nicht alleine und alles kann besser werden.
In diesem Sinne, alles Liebe und herzliche Grüße
Julia
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